Donnerstag, 9. Juli 2015

Das Buch "Gewittersegeln" - eine Rezension


Zugegeben: Ich habe dem Buch Gewittersegeln eine Geschichte beigesteuert, bin aber doch jetzt erst dazu gekommen es einmal ganz durchzulesen. Und bin hellauf begeistert. Warum? 


Es sind die persönlichen Erlebnisse, die Geschichten aus der Praxis, die unerwarteten Dramen die den Unterschied zum Lehrbuch machen. Der Grund warum man Kurse belegt oder Vorlesungen besucht, obwohl man seine auch selbsterworbenen Kenntnisse meist nur in einer Abschlussprüfung belegen müsste. Die Theorie prägt sich durch Geschichten aus der Praxis einfach besser ein und die Wahrheit ist ja oft viel komplexer als es ein Lehrbuch darstellt. An Bord meines Bootes habe ich den Klassiker "Seemannschaft" und ein SSS Lehrbuch. In beiden Büchern wird auf nur wenigen Seiten auch über Gewitter geschrieben, aber es fehlen die Beispiele aus dem Leben. Denn die von den 40 Autoren beschriebenen Abenteuer bis Katastrophen aus den verschiedensten Regionen haben eines gemeinsam. Der Zustand Gewitter vermischt sich immer mit einer persönlichen Komponente. Und erst deren Kombination wird zur Gefahr. 


So wie im Auto eine Fahrt im Dunkeln durch Schnee oder Regen erst einmal unkritisch ist, ändert sich das durch Übermüdung des Fahrers, abgefahrene Reifen, fehlende Landkarten. Es ist immer die Kombination die zu Unfällen führt, und die in den Lehrbüchern nicht beschrieben wird. In der "Seemannschaft" steht nichts von nachlassender Wachsamkeit auf langem Törn bei schönem Wetter - und schon liegt man platt auf dem Wasser. Nichts von der wegen übermässiger Vorsicht lästernden Ehefrau - und schon ist man zu tief in einer ungeeigneten Ankerbucht gefangen. Der unterdimensionierte Aussenborder, der fehlende Mann bei einer langen Yachtüberführung. Die Variationen sind so zahlreich wie die Autoren, und das ist gut so. Reviere, Kenntnisstand, Yachtgröße, Schreibstil...alles variiert, so das dieses Buch einfach nicht langweilig wird. 


Die meisten der Geschichten werden ergänzt durch Selbsteinsichten der Autoren, was sie hätten anders machen können und heute anders machen würden. Ich würde mir noch viel mehr dieser Praxisbücher zu weiteren Themen der Segelei wünschen, denn ähnlich wie die Praxisaufgaben in der Navigation, festigen sie erst den Kenntnisstand des Seefahrenden und bieten ihm im Ernstfall einen fremderlebten Wissensfundus, der hilft eben diese gefährliche Kombination aus Fehlern zu vermeiden. Die meisten der Geschichten enden dann auch nur mit einem Schrecken oder einer neuen Erfahrung, doch ein tödlicher Ausgang einer Überführung im Mittelmeer zeigt wie schnell auf See etwas Ernstes passieren kann. Und je intensiver man sich mit den vielfältigen Gefahren der Gewitter vorher auseinandergesetzt hat, umso ruhiger kann man im Ernstfalle damit umgehen. 

Und dafür plädiere ich in meiner Geschichte im Buch. Sicherheit durch gute Vorbereitung, damit man auf See der Gefahr begegnen kann und ihr die Stirn bietet. Und nicht verunsichert und verängstigt falsche Entscheidungen trifft. Und auf etwas Aberglauben und auch das bewusste Auskosten der Gefahren, die das Abenteuer Seefahrt nun mal seit Jahrhunderten in sich birgt. Und die man dann in den Seemannskneipen der Welt zu hören bekommt. Oder in diesem Buch zu lesen bekommt. Denn im Sessel vor dem Fernseher erlebt man so etwas nun einmal nicht. Mehr davon!