Dienstag, 24. November 2015

Warum dauert das denn so lange mit der Musik?


Recordinglogistik

Wurde ich nun bereits sehr häufig gefragt. Gemeint ist die Fertigstellung der fünfzehn auf meiner Reise entstandenen Songs. Ihr habt die doch schon alle live gespielt, das kann doch nicht so kompliziert sein? Ist es aber leider doch. Und das möchte ich hier einmal kurz erklären. Denn auch ich habe in letzter Zeit das Gefühl mehr abgebissen zu haben, als ich schlucken kann (Zitat: My Way - Frank Sinatra)... 

Onboard Composing

In der Tat hatte ich anfangs überlegt ganz einfach ein Live Konzert mitzuschneiden und so das ganze Album zu produzieren. Mit einer 5-Mann Band und etwas Proben wäre das auch sicher nicht in Ordnung gegangen. Aber dann küssten mich gleich mehrere Musen und daraufhin drehte ich wohl ein wenig durch. Ich wollte keinen Live Mitschnitt mehr. Nein, ich wollte das Optimale aus allen Songs herausholen. Unterschiedliche Sänger, mehr Instrumente, mehr Musiker. Und diese Idee live umzusetzen wäre nicht mehr praktikabel gewesen, also blieb nur das Studio. Und es sind am Ende gar dreißig Musiker geworden; dabei alleine sechs verschiedene Sänger und Sängerinnen. Und, ja, das dauert. Denn es soll ja auch so klingen, wie wir es von anderen Produktionen her kennen und nicht wie ein billiger Kassettenrecordermitschnitt. Und jeder meiner Songs besteht auch aus rund 50 Instrumenten- und Gesangsspuren. Die verschiedenen Trommeln des Schlagzeugs, Bass, diverse Elektro- und Akustikgitarren, Piano und Keyboards, Trompete, Posaune, Saxophon, Percussion, Bluesharp oder ein Cello. Alles einzeln mikrofoniert und aufgenommen. Dazu dann noch der Gesang. Und die Backingchöre samt Harmoniestimmen. Zum Glück hatte ich das gesamte Album  bereits mit viel Arbeit an Bord und nach der Reise auf dem Laptop vorproduziert. Zwar in mässiger Qualität, aber doch so, das man jetzt damit arbeiten konnte.



Immer auf der Suche nach dem Hit
Für jeden Song haben wir mit vier Instrumenten (Schlagzeug, Bass, Gitarre, Keyboards) zunächst die Basis aufgenommen. Man probiert dabei herum mit Tempo, Arrangement, Harmonien, Dynamik, Intros und Endings bis sich alle einig sind. Dann folgen stets ein paar Versuche bis die Aufnahme nicht nur fehlerfrei, sondern auch gelungen ist. Die Mikrofone müssen richtig stehen, jeder muss sich gut hören können, jeder Pegel muss perfekt ins Mischpult gehen. Das dauert...in diesem Fall für die 15 Songs fünf ganze Tage. Sprich drei Songs pro Tag. Als sogenannter Pilotgesang für diese Aufnahmen dienten dabei die Gesangsspuren der Vorproduktion. Ein Sänger war also in dieser ersten Phase nicht dabei. Was man danach hat sind dann die Grundgerüste für die Songs, die an einem weiteren Tag noch etwas nachbearbeitet und zurechtgerückt werden. Und ZACK ist die erste Woche um, und das Studio ist erst einmal anderweitig belegt.


 Bandrecording

 Yorck Mennich

 Merih Aktoprak

 Yours truly

Oliver Steinwede

Michael Grimm
Nun folgen die Aufnahmen aller Sänger und Sängerinnen. Dabei bekommt jeder seinen eigenen Sound, ein besonders Mikrofon und eine Mischpulteinstellung die auch erst gefunden werden muss. Und dann wird auch nicht einfach drauf los gesungen. Es sind ja keine Coverversion mit klarer Vorgabe, sondern die Erstaufnahme eines neuen Titel. Da muss der Charakter gefunden werden, der richtige Weg für den Song, die Worte und Phrasierungen noch angepasst werden und letztendlich auch Intonation und Aussprache stimmen. Ein immer sehr langwieriger Prozess, der für jeden Titel Stunden brauchen kann. Und mehr als drei Songs am Stück kann man auch kaum einem Sänger zumuten; oder aber er klingt dann abgesungen und heiser. Kurzum: Diese Phase ist sehr anstrengend und fordert mich als Produzenten extrem. Denn die meisten Sänger brauchen Feedback, Lob und Kritik an den richtigen Stellen. Und nur wenn man hier den richtigen Ton findet, sind am Ende auch alle zufrieden. Hier ist immer Fingerspitzengefühl und Erfahrung nötig. Bei dem einen Sänger weniger als bei dem anderen; aber es geht auch nie ganz von alleine. Und man nimmt auch immer mehrere Versionen auf, um dann später aus allem Material die besten Stellen herauszusuchen und zusammenzuschneiden. Und ZACK ist die nächste Woche um. Und was habe ich bisher? Grundgerüst und Hauptgesang...zwei Sänger haben dabei sogar in ihren eigenen Studios aufgenommen (in Irland und Australien!) und schickten mir nur die fertigen Aufnahmen! Das spart natürlich Zeit, nimmt mir aber auch die Einflussmöglichkeiten auf Klang und Ausdruck.


Caro Leuzinger 


John Barron

Andreas Pappert

Dara McNamara 

Peter Caulton

 Joe Casey

Und wieder geht es erst nach ein paar Wochen weiter: denn das Studio komplett zu reservieren kann ich mir nicht leisten, da ich ja alles selber finanziere. Ich suche so quasi die Lücken im normalen Studiobetrieb... und nun wird es auch noch sehr kompliziert. Denn jetzt kommen all die Extras die ich mir für die Produktion vorgenommen habe. Jetzt kommen die vielen zusätzlichen Instrumente und Musiker. Die nächsten Tage sind daher minutiös geplant, alles muss klappen, keiner darf sich verspäten oder länger brauchen. Denn dann steht der nächste Musiker mit seinem Instrument unter dem Arm vor der Tür. Und auch hier gilt wieder: Jeder Song muss gelernt und besprochen werden, es wird probiert, diskutiert, alle Ideen durchgesprochen, sich geeinigt und dann endlich aufgenommen. Und auch hier braucht es immer mehrere Versuche bis das Ergebnis stimmt. Und das war dann die Woche Nummer drei. Aufgrund der Menge verschieben wir das endgültige Sichten des Materials auf später, es ist einfach nicht genug Zeit. Hauptsache alles ist sicher auf der Festplatte samt Backup. Da die Studiozeit nicht reichte, bin ich sogar noch mit meinem Laptop und Audiointerface losgefahren um einige Instrumente an anderen Orten aufzunehmen. Und habe bei mir zuhause im Homestudio auch noch jede Menge Spuren aufgenommen. 

Dara McNamara


Die Brass Section: Michael Prott, Nic Boysen, Thomas Wolff

Rolf Herbrechtsmeyer

 Daniel Palmquist

 Christian Hönniger

Yours truly

Ralf Hartmann

Jürgen Gleba

Jochen Topp

Van Wolfen

Gänsehaut 

Kai Wiener

Michael Prott 

Oliver Sparing

Sebastian Stank

Uwe Steger

My Sweetheart Merih Aktoprak
An diesem Punkt sagte mein Co-Produzent Jurik zwei Dinge: Erstens, das er noch nie eine so durchgeplante Produktion erlebt hat und zweitens, das ich wohl nun so um die 50% der Produktion geschafft hätte. Aua...aber er hatte natürlich recht. Leise Zweifel über mein Vorhaben stellten sich nun ein. Es handelt sich ja "nur" um den Soundtrack zum Film, der dann auch noch auf Fertigstellung wartet. Was habe ich mir da nur aufgehalst? Es sind Tage an denen ich segeln gehe um den Kopf frei zu bekommen, und um nicht zu verkrampfen. Es eilt ja nicht. Was ist denn aber nun noch so vieles zu tun, mag man sich fragen? Nun, es folgen die Backingvocals bzw. Harmoniestimmen ohne die meine Produktion nicht so klingen würde, wie von mir gewünscht. Also werden weitere drei Tage und drei Backingsänger/innen gebucht. Da sie nicht alle gleichzeitig können, nehmen wir getrennt voneinander auf. Und auch hier wieder das gleiche Spiel. Suchen nach den richtigen Stimmen und dem perfekten Take...ein Riesenkompliment hier einmal an Caro Leuzinger, die alle Takes in nur 8 Stunden in wahrer Perfektion eingesungen hat. Respekt!!


Caro Leuzinger
Kati Schulmann-Reisener

Mario Schulmann

John und ich

 Und nun sind seit Beginn der Aufnahmen bereits gute acht Monate vergangen. Wenn man einmal mitrechnet, wird man sehen das wir nun so15 Songs mit je 50 Spuren aufgenommen haben, sprich 750 Spuren. Und das oft erst in mehreren Durchgängen und nach einigen Versuchen. Jede Spur hat dabei die Länge des Songs, im Durchschnitt also 4 Minuten. Da kann man ja mal selber rechnen, was da so zusammenkommt. Nur sind die Song mit ihrer Aufnahme ja leider noch lange nicht fertig. Denn nun folgt das Mischen.

Co-Produzent Jurik Maretzki

Wenn man einfach alle Spuren, so wie aufgenommen, einfach gleichzeitig abspielt, ist das Ergebnis eher ein wildes Durcheinander. Denn jedes Instrument und jede Stimme muss ihren Platz im Gesamtklang erhalten. Es gibt, grob gesagt, dafür mehrere Möglichkeiten. Die Lautstärke, die Position im Stereopanorama (also Links-Mitte-Rechts), eine Anhebung und Absenkung erwünschter und unerwünschter Frequenzen um platz für jedes Instrument zu schaffen. Aber auch eine Tiefenstaffelung über Hallräume ist meist notwendig (also vorne bis hinten). Und es muss entschieden werden, ob nun wirklich alle Instrumente die man so aufgenommen hat, auch wirklich vom Song benötigt werden. Oder ob es irgendwann zuviel wird und der Fokus vom Gesang geht. Ich denke der gesamte Aufwand wird mit diesen Beschreibungen  klar. Und dann klingt ein Mix auch nicht überall gleich. So hört man immer wieder an verschiedenen Orten in die Probemixe hinein und es fallen einem stets weitere Korrekturen auf. Und so dauert ein Mix dann auch in der Regel so um die zwei Tage. Wieder multipliziert mit 15 Songs, und ZACK sind nochmal 30 Tage weg. Verteilt auf freie Studiotage, die in meinem Fall gerade immer seltener werden, da das Studio so gut gebucht ist.


Kreuz um Kreuz zum Ziel - Wie beim Segeln
Und so rast die Zeit dahin. Denn ich muss ja auch noch nebenbei das Geld für die Produktion verdienen. Und das Ganze soll, wie gesagt, Spaß machen, dann dafür mache ich es vorrangig. Bloß keinen Stress mehr bei den Dingen, die ich aus Leidenschaft mache. Denn damit kann man sich alles verderben. Aber: Mitte Dezember ist nun endgültig die Deadline für Mix und Mastering und dann sollte ich auch endlich alle Songs in der Hand halten. Mein Weihnachtsgeschenk Ich kann kaum in Worte fassen, wie sehr ich mich darauf freue!! Auch wenn ein wirklich brutaler Weg bis hierhin war. Ich hoffe, das ich damit die ganz obenstehende Frage eingehend beantwortet habe.