Was hilft gegen Frühjahrsmüdigkeit? Natürlich Anti“faul“ing!
Träge vom grauen Winter habe ich mir das schützende Nass dieses Jahr sogar
online bestellt und nach Hause liefern lassen. Und dann geschieht es wieder
einmal, vorhersehbar und doch immer wieder überraschend. Jedes Jahr um Mitte
März herum erscheinen die ersten Vorboten des Frühlings in Form von einigen Tagen
Sonne und Temperaturen über 10°C. Antifoulingzeit. Eigentlich keine Arbeit auf
die man sich freut, aber auch keine die
wehtut. Bei meinem Boot suche ich eigentlich nur nach losen Farbresten des letztjährigen
Anstrichs, entferne diese, und übermale dann das letztjährige Blau mit dem
diesjährigen Rot. Zeitaufwand ca. 2 Stunden. Es ist angenehm warm, die Sonne lacht vom Himmel, an jedem zweiten Boot wird gearbeitet.
Es läuft irgendwo Musik im Autoradio,
man arbeitet und klönt mit den Nachbarn. Und mit einem Male fühlt es sich an
als hätte es den Winter nie gegeben. So als wäre schon wieder Segelsaison. Körper
und Geist füllen sich mit Energie und Aufbruchsstimmung; wie gerne würde ich
heute schon den Nord-Ostseekanal in Richtung Holtenauer Schleusen befahren. Der
Moment des Öffnens der Schleusentore in Richtung Ostsee fühlt sich alle Jahre
wieder wie der Beginn eines langen
Sommerurlaubs an. Dieser Geruch. Das kann nur verstehen, wer das einmal erleben durfte.
Und während ich so vor mich hinträumend mein
Schiff bauchpinsele (Madame hat aber auch einen sehr dicken Bauch) fällt mir eine
Begebenheit ein, die nun 3 oder 4 Jahre zurückliegt. Gleicher Ort, anderes
Schiff. Eine bei ebay ersteigerte Friendship 23, zwar
deutlich schlanker und kürzer als "La Mer", sollte mich noch den
letzten Nerv kosten. Das Antifouling begann nämlich großflächig abzublättern und die Überwinterung im Wasser des Harburger
Hafens plus eine weitere Sommersaison hatten es nicht besser gemacht. Natürlich
hatte ich kein Geld für die Reparatur und wollte es also notgedrungen selber machen.
Mit einer Buddel Whiskey ging ich also zum örtlichen Bootsbauer Olli und sagte:
"Olli, sach ma?"
Er erklärte mir dann den ganzen Vorgang. Altanstriche
abkratzen, anschleifen, mit Gelshield das Unterwasserschiff neu aufbauen und
versiegeln, streichen, fertig. Und bot mir direkt an sein passendes Werkzeug und
Material zu benutzen. Und dann kam seine sehr, sehr kluge Frage: "Warum
willst du das denn unbedingt selber machen?" Ich erklärte, das ich mir die
Reparatur nicht leisten könne, und daher selber ran wolle. Daraufhin sagte
Olli: "Ich mache so etwas hier beinahe täglich, habe Mitarbeiter die sich
auskennen, die richtigen Maschinen und Räumlichkeiten. Ich kann das deutlich
besser und schneller machen, als du es jemals hinbekommen wirst." Das
glaubte ich ihm aufs Wort, aber es nützte mir ja nichts. Doch jetzt fügte er noch hinzu:
"Du kannst doch sicher auch etwas richtig gut. Warum machst du nicht
lieber das, lässt dich dafür gut bezahlen, gibst mir dann das Geld und ich erledige
hier für dich die Arbeit?"
Das stimmte natürlich, aber ich
zog erst einmal irgendetwas murmelnd meines Weges. Schließlich geht es mir
nicht nur darum Geld zu sparen. Je mehr ich selber machen kann, umso sicherer
fühle ich mich. Ob nun Diesel, Rigg, Elektrik, Bilge, am Anfang ist mir jedes
Boot so fremd, das ich mich immer unwohl fühle. Erst wenn ich einmal in jeder
Ecke nachgesehen habe, alle Kabel und Leitungen kenne und selbst Dinge
eingebaut und repariert habe, mag ich auf größere Tour gehen. Von daher dachte
ich mir also zunächst: Do it yourself. Nach drei vollen Arbeitstagen im Regen draußen im Freilager hatte ich
es dann aber gerade einmal geschafft ein DRITTEL der Backbordseite
sauberzukratzen. Frustriert saß ich mit schmerzenden Händen auf dem Boot
und hörte das Echo Ollis weiser Worte in meinen Ohren klingeln. Und gab auf.
Und
wie Zufall oder Schicksal so spielen, klingelte auf dem Rückweg nach Hamburg das Telefon und
ein Kollege (damals war ich noch fest angestellt) fragte, ob ich für ihn am Wochenende
ein Event durchführen könnte, da er überraschend verhindert sei. So ein Event bedeutet
üblicherweise um die 14-16 Stunden Arbeit jeweils Freitag, Samstag und
Sonntag. Equipment zusammenstellen, stundenlang auf die Autobahn, ein stressiger
Veranstaltungstag und am Sonntag alles wieder retour. Nicht unbedingt das, was man
sich unter einem erholsamen Wochenende nach einer bereits vollen Arbeitswoche
vorstellt. Aber zur Überraschung des Kollegen sagte ich sofort zu und befreite
mich damit augenblicklich von der fürchterlichen Arbeit am Boot, die ja auch
mein Wochenende ruiniert hätte. Und zwar gründlich. Finanziell sollte es
aufgrund der vielen Überstunden auch ungefähr hinkommen. Bingo.
Selten habe ich
mit so viel Freude eine Veranstaltung geleitet, das Publikum begrüßt, mich um technische Probleme
gekümmert, Künstler mit typischer Verspätung und passender Attitüde freundlich behandelt. Und bin fröhlich singend am Sonntag zurück nach Hamburg gefahren. Ausgepowert,
aber glücklich den Farbkratzer nie wieder anfassen zu müssen. 3 Wochen später war
das Boot dann fertig. Und wie! Hier und da hatte Olli noch etwas ausgebessert,
das ganze Unterwasserschiff neu aufgebaut, gestrichen. Es sah aus wie neu. Das
hätte ich nie so hinbekommen. Nie! Und seitdem denke ich auch heute noch zweimal
nach wenn es wieder einmal heißt: TO DO OR
NOT TO DO...it yourself.
Auch schon mal drüber nachgedacht?