Samstag, 1. Oktober 2016

Der Sailing Bassman, T-Bone Burnett und das leidige Marketing



Natürlich hat man so seine Träume. Von Zufällen, von Nummer-1 Hits und großen Bühnen. Aber ich habe mein Album "Zeitmillionär" nicht aufgenommen um damit reich zu werden. Rechne nicht einmal damit die Produktionskosten jemals wieder herauszubekommen. Wenn ich ernsthaft Geld verdienen wollte, wäre wohl selbst ein 450.- Euro Job vielversprechender. Warum also tut man sich dann die Arbeit und die investierte Zeit an? Und dann noch in Zeiten in denen mit Musik kaum noch Geld zu verdienen ist? Diese Frage könnte man jedem kreativen Künstler stellen und würde unendlich viele verschiedene Antworten erhalten. Aber allen wird irgendwo gemein sein, das man etwas Neues erschaffen und hinterlassen möchte. Und andere Menschen berühren, bewegen oder einfach nur erreichen will. Und gehört werden will. Denn was nützt einem die schönste Musikproduktion, wenn sie niemand hört?


Und genau hier stehe ich nun wie der berühmte Ochs' vor dem Berg. Eigentlich jeder der in mein Album reingehört hat, schwärmt von der Vielfalt der Songs, hat seine Lieblingstitel und sogar die eine oder andere Träne der Rührung beim Hören vergossen. Toll. So habe ich mir das gewünscht. Aber "jeder" ist eben immer noch eine deutlich überschaubare Menge, die sich aus Freunden, deren Freunden und meinen diversen facebook Kontakten zusammensetzt. Aber ich möchte natürlich mehr. Wie bringt man einen Fremden dazu sich ein Album anzuhören, was ihm am Ende sogar sehr gut gefallen könnte? Sein Leben bereichern oder gar verändern? Alles eine Frage des Marketingbudgets könnte man sagen. Sicher richtig, aber da klemmt es natürlich beim Selbermachen. Zeit und Arbeit kann man einbringen natürlich auch Geld. Aber privat meist nicht in der Dimension von Plakat- und Fernsehwerbung.


Bis hierher hatte ich diesen Blogbeitrag schon fertig geschrieben, dann wusste ich nicht recht weiter. Worauf will ich eigentlich hinaus? Oder will ich mir nur etwas Luft machen?

Dann stolperte ich über die aktuelle Rede von T-Bone Burnett beim Americana Music Festival. Ich bin ein großer Fan von T-Bone Burnett, der u.a. auch die erste Staffel der Serie "Nashville" musikalisch geleitet hat. Hier gibt es die ganze Rede als Transkription, ich möchte hier nur ein paar selbst übersetzte Passagen daraus zitieren, da diese einfach so perfekt zu meinen eigenen Gedanken passen.

http://americansongwriter.com/2016/09/t-bone-burnetts-americanafest-keynote-address/

Fange ich doch direkt mit diesem Satz an:

"Wir leben in einer Zeit, in der Künstler von einem schlechten Deal zu einem noch mieseren Deal gehetzt werden. Uns wird gesagt, wir sollen gefälligst gut im Marketing sein. Ich muss jedoch sagen - und ich denke ich spreche damit für fast jeden Musker hier - das ich nicht angefangen Musik zu machen, da ich eine Karriere (oder zumindest den Weg dorthin) im Marketing anstrebte." 

Das bringt doch meine Gedanken wunderbar auf den Punkt. Ich will verdammt noch mal Musik machen, und nicht Werbung. Das können andere besser und haben auch mehr Spaß daran. Ich bin glücklich, wenn ich Note zu Note bringe. Mir Geschichten ausdenke und in Songtexte fasse. Ich bin nicht glücklich, wenn ich den ganzen Tag bei facebook und co unterwegs bin, um Marketing zu machen. Und an einem Image arbeite, denn:

"Bei facebook ist jeder ein Star. Die idealistische, drogengeschwängerte Prophezeihung der 1960er wurde mechanisiert, und hat uns das Fälschen noch leichter gemacht. Unsere Maske ist unser Gesicht geworden."


Das ist so wahr. Denn ich bin natürlich keineswegs der immer gut gelaunte, vor Energie sprühende Sailing Bassman. Sonst könnte ich solche Songs gar nicht schreiben. Ich bin, wie wohl die meisten Menschen, ein fauler und bequemer Hund voller Ängste, Sorgen und immer auf der Suche nach Glück und Liebe. Vielleicht ein bißchen weniger bequem als andere, denn es treibt mich schon etwas um, aber doch weit von meinem Marketingbild entfernt. Aber der drahtige, braungebrannte Segler wirkt einfach interessanter, als der faule Mann in Jogginghosen, der sich mühsam ein paar Textzeilen aus dem Gehirn leiert. Und auch dazu T-Bone Burnett:

"Technologie tendiert zur Effizienz. Sie hat keine Ästethik. Sie hat keine Ethik. Sie ist binär. [An oder Aus]. Aber alles Interessante im Leben - alles was das Leben lebenswert macht - ist nicht binär. Mitleid ist nicht binär. Liebe ist nicht binär. Musik und Kunst sind nicht binär. Du und ich sind nicht binär."


Niemand ist immer seine Maske, wie es die Werbung gerne suggeriert. Oder ein fauler Klumpen auf dem Sofa, wie man es oft gerne sein möchte. Die Wahrheit bewegt sich immer in den Zuständen dazwischen. Und die besten Ideen kommen einem nicht mit Blick auf den Erfolg oder auf das Marketing. Sie kommen in diesen emotionalen Zwischenzuständen, die die Kreativität anregen. In denen der Kopf leer und die Gefühle frei sind. Bis heute kann niemand einen Welthit auf Kommando schreiben. Es passiert einfach. Oder eben nicht. Und es gibt dort draußen sicherlich tausende Welthits, die keiner jemals hören wird. Denn der Künstler ist eben keine Werbeagentur. Und noch viel wichtiger. Er richtet sich nicht an die Massen, er denkt nicht in Verkaufszahlen, Zielgruppen und Marketingstrategien. Und das kann und wird die Industrie niemals verstehen. T-Bone zählt nun eine Menge Künstler von Rembrandt bis Michael Jackson auf und sagt:

"Jeder dieser Künstler machte Kunst, für die sich die Welt erst ändern musste um sie zu verstehen zu können. Sie haben sich nicht der Welt angepasst, sondern die Welt musste sich ihrer Kunst anpassen. Ein Künstler muss immer selbst herausfinden, was ihm gefällt. [....] Der wahre Grund für den Fall des eisernen Vorhangs war das die Kids Beatles Platten hören wollten. Unsere Geschichte, Sprache und Seele ist in unser Musik festgehalten. Es gibt keinen tieferen Blick in die Seele eines Landes, als über sein Musikarchiv des letzten Jahrhunderts.   
Und das ist die Geschichte der USA: ein Kid verlässt sein Heim mit nichts als einem Song und erobert damit die Welt. Wir haben das immer wie reproduziert. Fangen wir mit Elvis an, aber wir können stundenlang weitere Namen hinzufügen - Jimmie Rodgers, Rosetta Tharpe, Johnny Cash, Howlin Wolf, Mahalia Jackson, Bob Dylan, John Coltrane, Billie Holiday, Loretta Lynn, Chuck Berry, Hank Williams, Aretha Franklin, Jack White, Dr. Dre. Das sind wir. Ein Jedermann. In der Laudatio auf Bob Dylan beim letztjährigen MusicCare sagte Jimmy Carter: "Es gibt kein Zweifel daran, das seine Worte des Friedens und für Menschenrechte prägnanter, kräftiger und dauerhafter sind, als die jedes Präsidenten der USA". Ich glaube, das ist nicht zu leugnen. Das ist es was uns Künstler ausmacht. Das dürfen wir niemals vergessen."


Wir sind Künstler und keine Verkäufer. Das möchte ich gerne anderen überlassen, denn es kostet Zeit und Kreativität. Wie viele Song wohl nie geschrieben wurden, weil der Künstler die vorhandenen noch verkaufen musste? Und so sehe ich mich in meiner Idealvorstellung auch lieber im Studio als auf Tour (Ausnahme Stadien!!). Ich möchte manchmal lieber nur Komponieren und Produzieren, als mein Gesicht in eine Kamera halten. Zwischenfrage: Ist man als Songwriter für andere Künstler glücklicher? Man hört seine Musik, muss aber nicht den ganzen Rummel mitmachen? Vielleicht ja, aber dann irgendwie auch wieder nicht. Ein Leben hinter dem Vorhang, niemals  im Rampenlicht? Hier beginnt die Quadratur des Kreises. Gut, wenn einem meine Musik nicht gefällt, kein Problem. Aber wenn ich weiß, sie könnte gefallen, erreicht aber einfach nicht die entsprechenden Ohren, dann macht mich das schon wahnsinnig. Also gehe ich einfach immer weiter, Schritt für Schritt, und hoffe so an mein Ziel zu kommen. Und ich habe so tolle Partner, die den Weg mit mir gemeinsam gehen, das auch der mühsamste Weg schon wieder Spaß macht. Denn nur wenn ich aufgebe, werde ich meine Träume mit Sicherheit nie erreichen können. Eine Binsenweisheit, aber trotzdem zu 100% wahr.

Randnotiz an mich: Nicht nur über eigene Emotionen schreiben, sondern auch einmal für den Weltfrieden!