Beiträge zu Sinn
und Unsinn von Segelscheinen ja funktionieren immer recht gut, daher hier einmal mein
bescheidener Beitrag zu diesem Thema. Geschrieben nach einem kurzen,
stürmischen Törn sitzend vor, und ich hoffe das letzte Mal in dieser Saison, dem Wärme
spendenen Heizlüfter unter Deck. Mein Törn beginnt in Schausende in der
Flensburger Förde. Hier gibt es eine schmale Einfahrt über ein Flach. Weisse Wellenköpfe hetzen
quer zur Einfahrt. Der sehr böige Wind drückt die Masten der Boote heulend zur
Seite. Kein Wetter zum Auslaufen, wie mir die Hafenmeisterin probiert
einzureden. Aber was soll ich hier den ganzen Tag in Schausende? Also gehe ich einmal ans Ende
der Hafenmole und schaue mir das Elend an. Wind 6 plus knackige Böen. Sehr kabbelig,
aber kein Vergleich zur offenen Ostsee. Zwei weitere Boote sind draussen und
stampfen im 2. Reff. Zusammen mit dem heulenden Wind, sieht das erst einmal
spannend aus.
Noch vor 2 Jahren wäre ich nur sehr ungerne ausgelaufen, heute
gehe ich da anders ran. Mein Kurs liegt ja mehr oder weniger vor dem Wind bis
Flensburg. Sobald ich draussen bin, wird es also unproblematisch. Bleibt die
schmale Ausfahrt fast quer zum Wind. Unter Maschine easy, aber was wenn sie
ausfällt? Dieses Gedankenspiel mache ich mir bei jeder Ein- und Ausfahrt in
Häfen. Einmal vor der Großenbroder Fähre hat es mir diese Praxis bereits einmal
Stress und Schäden erspart. Es sind nur gut drei Kabel (welch schönes Wort) ,
die überwunden werden müssen. Ich rolle etwas Fock aus. Sollte eigentlich
reichen um die nötigen ca. 75 Grad Höhe zu laufen. Sonst eben einfach bis zum
nächsten Pfahl der die Einfahrt säumt und Leine drüber. Nicht der beste aller
Pläne, es ist aber auch höchst unwahrscheinlich, das ich ihn brauchen werde.
Dann folgt das Ablegen mit langer Vorleine auf Slip um das Boot hinten zwischen die
Pfähle zu bekommen, das hat sich bei mir Einhand und mit Seitenwind bewährt.
Klappt auch. So wie die Ausfahrt unter Diesel. Nur unter dem Stückchen Fock
habe ich nach Kurswechsel auf Süd schnell 5,5kn auf der Logge. Es bläst ja doch ganz
ordentlich.
Was hat das Ganze
nun mit Segelscheinen zu tun, kann man sich nach den vielen Zeilen
berechtigterweise fragen? Meine einfache Antwort: Erfahrung ist durch keinen Schein
zu ersetzen. Wäre ich früher nicht oder nur höchst gestresst ausgelaufen, rufe ich
nun einfach Erfahrungswerte zur nüchternen Risikoabschätzung ab. Wind, Welle,
die Lage der anderen Boote draußen, Ablegemanöver, Ausfahrt. Alles schon gehabt,
auch bei noch mehr Wind und vor allem Welle. Alle Manöver sind im Kopf abruf-
und visualisierbar. Ich habe nichts davon beim SBF oder SKS gelernt. Hätte ich
aber gerne. Und so schaue ich auf die einzigen Boote die heute neben mir draußen
sind. Vor Glücksburg mit Kapuzenmännchen. Vermutlich Schulungsschiffe des DHH, die tapfer
im 2. Reff Wenden und Halsen fahren. Focks flattern im Wind, die Boote bocken
in der Welle, krängen teils kräftig. Jeder der Teilnehmer muss ordentlich ran,
kann aber später bei seinem ersten Starkwindtörn sagen: "Solche Verhältnisse hatte ich schon
mal, nicht schön, aber im 2. Reff geht das." Das sind die wertvollen
Lernmomente! Dann noch jeder einmal am Ruder, wenn bei Starkwind angelegt wird,
da nimmt man dann auch echt was mit. Und alles unter 6 Bft. ist später nur noch halb so
schlimm, bis einfach. "Das hatte ich schon viel härter, damals vor
Glücksburg....". Ich als mehr oder weniger Autodidakt musste mich da mühsam Windstärke um Windstärke
herantasten. So eine Schwerwetterfahrt hätte mich doch sehr viel weitergebracht,
als das dumpfe Lernen hunderter von Fragen. Schwerwetter sollte eigentlich Vorschrift
sein, so wie die Autobahn- und Nachtfahrt beim PKW Führerschein. Das würde
vielen, unangenehmen Aha-Momente von Neuseglern vorbeugen, die noch nicht wissen,
das Segeln nur zu Hälfte Genuss und zur anderen harte Arbeit ist.
Den Vorteil der
Scheinebüffelei sehe ich eher darin, dass man sich einmal mit allen Aspekten
der Seefahrt befassen muss und die nötigen Begriffe lernt. Um sich darauf
aufbauend weiterbilden zu können. Sonst vergisst man das alles schnell, oder
schreibt es als irrelevant ab. Bis, ja bis Rasmus es einmal nicht mehr gut mit
einem meint. Denn dann ist keine Zeit mehr zum Nachlesen, dann muss das sitzen.
Wenigstens im Kopf. Ein Freund von mir spricht immer noch von Seilen, Segel
raffen, die Stange vom Groß etc. Gut, es sind nur Begrifflichkeiten, aber die
Segelleistungen stehen doch direkt im Verhältnis zu den fehlenden Vokabeln. Da fehlt
dann definitiv die Erfahrung um die auswendig gelernten Phrasen in korrekte Handlungen
umzusetzen. Fazit: Ein Schwerwettertraining ist nicht unbedingt für
Fortgeschrittene, sondern gerade und ganz besonders für Anfänger geeignet!
Einmal die See von ihrer rauen Seite erlebt zu haben, gibt eine unglaubliche
Sicherheit bzw. sagt einem, ob das mit dem Segeln überhaupt das Richtige für
einen ist. Vorschlag: Einmal mit Rainer Tatenhorst von der Yachtschule Eichler bei viel Wind Helgoland und zurück. Das schafft was weg .-)