So langsam nähert sich die Sonne dem Horizont. Sie scheint wie hinter Milchglas. Der Wind reicht endlich aus um mein Boot auf 3,5kn zu bringen. Ich war eigentlich auf einen relativ kurzen Törn eingestellt; mit viel Wind und schneller Fahrt. Aber, wie eigentlich stets beim Segeln, es sollte alles wieder einmal anders kommen. Schon in Sönderborg hatte ich den Eindruck von wenig Wind, aber der Hafen liegt gut gegen den Ostwind abgeschirmt hinter den hohen Häusern der Hafenpromenade. Mit mir wartet noch ein weiteres Boot auf Wetterberuhigung der sehr stürmischen Nacht. Windfinder meldet bei Kagnaes zunächst in der Echtzeitmessung noch 6 Bft., doch dann geht die Kurve rapide nach unten. Leinen los. Noch im Hafen setze ich die Segel und motore in die Ausfahrt. Doch der hier erwartet Wind bleibt vollständig aus. Keine guten Vorraussetzungen für die 40sm bis Damp. Komische Echtzeitmessung, aber in der Höhe des Leuchtturms weht der Wind ja immer etwas stärker. Ich lasse den Motor laufen bis ich die Tonnen der Einfahrt hinter mir habe, dann mache ich mich an den Segeltrimm. Ich muss den Leuchtturm Kalkgrund anlegen, doch genau von dort kommt der Wind. Und eine ein Meter hohe Welle. Es kommt einfach keine Fahrt ins Boot. Ums verrecken nicht. Ich habe einen Wendewinkel wie ein Viermaster. Also zähneknirschend mit Maschine bis Kalkgrund. Ich hasse es einfach extrem zu dieseln. Und dann noch bei dieser Welle gegenan. Ich lasse das Groß zum Stützen stehen, aber es geht nur ganz langsam vorwärts, während ich wie Johann in das Boot auf meinen Diesel lausche.
Flaute ist immer schlimmer als Wind. Vor allem bei dieser alten Welle. Es fällt mir schwer ruhig zu bleiben. Ab und an komme ich in eine Windzone und probiere zu segeln, aber gegen die Welle komme ich ohne den Motor einfach nicht an. 1,8kn sind dann doch zu wenig. Ich hoffe auf Änderung der Verhältnisse am Ausgang der Flensburger Förde. Eventuell drehen dort Wind oder Welle zu meinen Gunsten. Zusätzlich zum Geschaukel kommen noch die Schmerzen im Bein. Ich bin in dunkler Nacht von den Sanitäranlagen kommend ins Leere getreten. Gut einen Meter unter der Kaimauer ist ein breiter Holzbalken, auf den man treten muss, bevor man aufs Boot steigen kann. In diesem Bild sieht man die Lücke vor dem Pfahl.
Im Dunkeln habe ich sie nicht gesehen und bin in das Loch getreten und
tief gefallen. Ausser einem großen Schreck ist aber irgendwie nichts passiert,
doch das ganze Bein ist aufgeschürft. Und nun schmerzt es noch zusätzlich
zum Segelfrust. Doch endlich hat Rasmus ein Einsehen und schickt eine ganz leichte Brise, ich kann nun hinter Kalkgrund auch etwas abfallen und die Welle bremst nicht mehr so. Immerhin 3,5kn sind nun drin. Genug um aufzuatmen und Pläne für den Abend zu machen.
Der Leuchtturm von Falshöft zieht vorbei und ich komme zu dicht unter Land. Also wieder ein Kreuzschlag hinaus und gegen die Welle. Segeln kann manchmal echt nervtötend sein. Wäre nicht diese einzigartige Frühlingsstimmung. Es ist warm, etwas diesig und kein Boot weit und breit. Die Sonne sinkt und ich beschliesse Damp aufzugeben und nach Schleimünde zu fahren. Die letzten Male hatte es mir hier nicht so gefallen, aber für heute reicht es mir einfach. Zumal der Wind auch schon wieder nachlässt. Rasmus, wofür bekommst du nur deine Opfer?
Im Dunkeln geht es dann auch schon vorbei am Leuchtturm und in die direkt dahinter liegende Hafeneinfahrt. Nanu? Keiner da? Nein, ich liege wirklich mutterseelenallein an der Lotseninsel. Das muss ausgenutzt werden. Schnell kommt die Petromax in die Plicht, die Musik auf die Aussenlautsprecher und die Gitarre in die Hand. Dazu etwas Rotwein. Was für eine Atmosphäre. SOOO gefällt mir Schleimünde doch mal wieder sehr gut! Noch lange geniesse ich die Einsamkeit bevor ich ins eiskalte Vorschiff krieche.
Der nächste Morgen ist grau, bringt aber ausreichend Wind für einen Anlieger nach Kiel. Unspektakulär geht dann dieser Törn zuende. Mit immerhin 200sm auf der Logge. Toller Törn. Frühlingssegeln? Ab jetzt immer!