Samstag, 2. April 2016

Saisonstart


Der Diesel springt sofort an. Zum ersten Mal seit ich das Boot habe. Aufatmen. Sonst vergeht an dieser Stelle immer jede Menge Zeit mit Geschraube und Gefummel, bis der Dinosaurier endlich aus dem Winterschlaf erwacht. Aber ich lerne ja dazu. Nochmal die Leitungen entlüftet, Luftfilter ab, Startpilot, Gashebel auf 1/3 und...tackatackatacka, er läuft!! Die üblichen 2 Tage hektisches Basteln und Maststellen sind damit zu einem Ende gekommen. Dieses Jahr habe ich auch noch einem Kumpel geholfen, der gerade erst anfängt zu segeln, sein neuerworbenes Boot fertig zu bekommen. Jede Menge Arbeit! Zum Glück ist der Winter immer lang genug um das Gerödel das Einwinterns zu vergessen...

Mein Stuntman vom Kranteam

Aber mit dem Loswefen der Leinen sofort vergessen. Der Nord-Ostsee-Kanal lässt einem ja immer noch jede Menge Zeit für das Feintuning an diversen Baustellen. Die Sonne scheint, die Schleusenkammer ist offen, die Kanalfahrt sogar kostenlos, da man die steilen Leitern in der Schleuse nicht mehr benutzen darf und somit der Weg zum Kassenautomaten versperrt ist. Vor mir rutscht einer auf dem nassen Steg aus und fällt ins Wasser. Er kommt aber selbst sofort wieder auf den Steg und zieht sich frierend auf sein Boot zurück. Mit vier Mann an Bord und trotzdem Hektik beim längsseits anlegen. Oder vielleicht gerade deshalb? 

 
Auf mich wartet nun die erste Nacht an Bord in meinem neuen Saisonhafen. Wegen des klaren Himmels ist es saukalt, aber unter zwei Decken geht es dann doch irgendwie. Nur die feuchte Hundenase stört etwas beim Schlafen. Am nächsten Morgen repariere ich die letzten Kleinigkeiten. Hupe, klemmender Gaszug, Reffleinen... nichts anspruchsvolles, aber es wärmt mich wieder auf. Nachmittags treibt es mich dann aus dem Hafen, ein paar Stunden vor dem Wind bei viel Sonne in die Abenddämmerung. Spontan entscheide ich mich die Nacht "auswärts" zu verbringen. Das ist das ja das Tolle am Segeln! Man hat ja eh immer alles dabei und muss nicht erst eine Tasche packen um anderswo zu übernachten. 


Die Stunden dehnen sich endlos. Von der ganzen Hektik des Aufbruchs bin ich noch ganz zappelig und es will mir einfach nicht gelingen einfach nur den Abend zu geniessen. Ständig will ich irgendetwas tun, oder gucke auf das Handy oder, oder, oder... Das ging mir während meiner langen Reise anfangs auch so, erinnere ich mich. Zivilisationskrank. Ohne Termine in toller Natur, aber zu nervös zum Geniessen. 


Das ging erst nach ein paar Wochen vorbei, als Zeit für mich eine ganz andere Dimension bekommen hatte. Ich hatte nämlich nicht mehr ständig zu wenig, sondern plötzlich so viel ich wollte. Und hell war es ja auch fast rund um die Uhr, dort oben im Norden. Man muss also nicht nur Zeitmillionen haben, sondern auch lernen damit umzugehen. 

Filmtrailer "Zeitmillionär"

 Einfacher gesagt als getan, aber nach zwei Gläsern Rotwein komme ich langsam in den Easy-Mode. Dann gleite ich in die Box, ein perfekter Anleger. Ostseesommerfeeling bereits am ersten April!

Das Leben ist schön.