Ob ich diesen Dämon selber heraufbeschworen habe? Ich habe schon das Gefühl, das man sein Schicksal selbst bestimmen kann. Je mehr man an etwas glaubt, umso eher wird es geschehen. Im Guten wie im Schlechten...so mache ich mir von Anfang an Sorgen um meinen Diesel. Und er gibt sich alle Mühe diese Ansprüche zu erfüllen. Auf Rigg und Segel verschwende ich kaum einen Gedanken...und dort passiert dann auch nichts. Stellt sich nun die Frage, ob ich einfach ein Gefühl für die Schwachstellen des Bootes habe, oder ob ich eben durch die Sorgen meine Geister selber rufe? Rhetorische Frage...was ist nun genau passiert?
Mein Diesel hatte mich schon einmal vor Stockholm geärgert und ich wähnte den Schaden behoben. Zumal ich seitdem ja nun auch schon wieder fast 3 Wochen unterwegs bin. Gestern bin ich nun nach langer Kreuzerei bei viel Wind endlich in Mem am Eingang zum Göta-Kanal (ein Binnenwasserweg quer durch Schweden) angekommen und die Mitfahrer in meinem Konvoi kennengelernt.
Abends tanke ich noch einmal voll, will den Ölstand checken und finde dabei wieder Öl in der Motorbilge. Schnell ist wieder der Öldruckschalter als Verursacher erkannt. Während alle anderen also gemütlich grillen und chillen, räume ich die Backskiste wieder mal ganz leer und krieche hinein. Ich will den Schalter wieder festziehen, aber das geht nun nicht mehr, denn er dreht frei in seinem Sitz. F*****ck, schallt es aus der Backskiste. Also Werkzeug und Taschenlampe geholt, es wird nämlich langsam Dunkel, und mit Sika, Sealing Tape, Kabelbindern und Schellen irgendwie ne Abdichtung improvisiert, die aber auch auf mich eher als Alibi wirkt. Im Inneren weiss ich, das das nicht gutgehen wird...aber die Hoffnung stirbt zuletzt. Also schon einmal die Nummer vom nächsten Volvo Penta gesucht und Adresse notiert. Liegt auf dem Weg, der Motor muss also nur noch 2 Tage halten. Selten so schlecht drauf gewesen, während der Reise. Da klopft es und der Skipper der Manora Lei aus Stuttgart kommt an Bord. Wir trinken ein Bier zusammen und ich geniesse die Ablenkung von dem Problem, an dem ich heute eh nichts mehr ändern kann. Eddie erzählt abenteuerliche Storys von einem (beinahe) Ruderverlust vor Russland, gefolgt von einer Odyssee an der deutschen Botschaft wegen Visumsverlängerung plus einem 140 Seemeilen Törn gegenan, als die Verlängerung nur kurz gewährt wird. Alles auf an seinem 25 Fuss Schiff, auf dem er einhand seit April von Stuttgart! aus auf der Ostsee unterwegs ist. Ein kleiner Törn, war er doch letztes Jahr über Donau, Schwarzes Meer, Bosporus, Ägäis bis in die Adria unterwegs...Respekt, mein Lieber! Ich freute mich schon auf weitere Storys während der Kanalfahrt. Im Kanal hat er seine Tochter samt Freund dabei, die mir auch gleich ihre Hilfe beim Schleusen anbieten. Toll.
Die erste Schleusung ist noch leicht aufregend wegen der ungewohnten Leinenführung, stellt sich aber als einfach zu handhaben heraus. Mich plagt ja die größere Sorge um meinen Diesel. Nach 10 Minuten Fahrt schaue ich dann also in die Motorbilge und, natürlich, ein tiefer Ölsee schwappt in der Bilge. Ich melde mich also schon bei Volvo Penta an....diesmal alle supernett und hilfsbereit dort. Noch eine Meile weiter beschliesse ich den weiteren Versuch zu beenden um den Motor nicht ganz zu zersägen. Die gute Manora Lei folgte mir und nimmt meine Schleppleine an. So bewältigen wir sogar noch 2 Schleusen bis ich mich schliesslich in Söderköping in den Hafen legen und mich bedanke und verabschiede. Meine angebotene Flasche Wodka wird fast empört abgelehnt....schliesslich ist die Hilfe unter Seglern selbstverständlich. Und fort fahren die drei, denen ich sehr, sehr dankbar bin. Natürlich wegen der Hilfe, aber viel mehr noch wegen des Gefühls nicht alleine mit dem Problem zu sein und es mit jemandem teilen zu können. Das hat wirklich geholfen. Danke euch!!
Moderne Raubritter
Söderköping empfängt mich mittelalterlich geschmückt und mit einem tollen Steg direkt im Ort. Das Wochenende steht im Zeichen der Ritter und co. Eine Reisenattraktion in Schweden mit über 15.000 erwarteten Besuchern. Ich habe schon eine Karte für das Ritterlanzenturnier im Stadion. Kenne ich nur aus Filmen, und der schwarze Ritter gewinnt immer und ist stets der versteckte Held, der dann im Endkampf gegen den Bösewicht die Königstochter gewinnt. Na mal sehen. Volvo Penta hat mittlerweile einen Schrauber im Ort aufgetrieben, damit sie nicht extra Anfahrtskosten berechnen müssen. Aber ich könne im Notfall Tag und Nacht anrufen. Super. Nach 30 Minuten erscheint Jonas, der Mechaniker. Er passt kaum in die Backskiste, aber ich habe ihm dort schon alles schön gemacht mit Plane und Wolldecke und Licht. Bei dem Versuch den Schalter rauszudrehen zerlegt er sich dann sofort. Erstes Aufatmen, es ist wohl nicht das Gewinde, in dem jetzt aber die abgerissene Schraube steckt, sondern nur der Schalter. Jonas verschwindet um Tools zu besorgen und kommt nach über einer Stunde mit Akkuschrauber und "Abgerissene Schraube Ausdreher mit Linksgewinde", den er mühsam organisiert hat, zurück. 20 Sekunden in die Schraube gebohrt, Ausdreher angesetzt und Trommelwirbel......"This is your lucky day", sagt er, und dreht den Rest ganz heraus. Ebenfalls im Gepäck hat er einen Öldruckschalter von einem großen Deutz Diesel, der genau in das Gewinde passt. Fertig...so einfach geht so etwas selten, wie jeder weiss, der schon einmal mit abgerissenen Schrauben zu tun hatte. Der Deutz Schalter versorgt normalerweise eine Anzeige und schaltet keine Leuchte gegen Masse, kann also nicht direkt verkabelt werden. Aber das kann ich verschmerzen, guck eh oft nach dem Ölstand. Jonas fragt mich ob den 50 Euro nicht zuviel wären. Ich drücke ihm den Schein plus meine Wodkaflasche in die Hand. Die Flasche ist von meinem Kumpel Dara als Abschiedsgeschenk mit an Bord gekommen. Aber alleine Wodka trinken ist nicht so mein Ding, so habe ich die Buddel für Notfälle gebunkert. Und nun hat sie der Richtige erhalten!!
Die Moral von der Geschichte: Einen Riesenstein vom Herzen leichter kann ich nun also hier die Konvoipause bis Montag abwarten. Die Hafengebühr ist im Kanalticket enthalten, die Stadt ist schön und voller Menschen, es gab einen Flohmarkt, auf dem ich günstig die noch fehlende Vänernkarte gefunden habe und auch Einkaufen war wieder möglich. Besser hätte es nicht laufen können. Es hätte mich viel schlimmer erwischen können. Alleine. Weiter draussen. Ohne Hilfe. So gesehen freue ich mich mittlerweile über den behobenen Schaden, denn nun gehe auch ich die Kanalfahrt ohne Sorgen an. Und habe dabei noch jede Menge toller und hilfsbereiter Menschen kennengelernt. Ich lese gerade zum wiederholten Male mein Lieblingsreisebuch "Jupiters Reise" von Ted Simon. Er hat auf dem Motorrad die Welt umrundet und zum Ende seiner Reise mit vielen Höhen und Tiefen fährt er durch Indien. Ist das Benzin alle oder etwas defekt setzt er sich dann nur noch seelenruhig in den Schatten und wartet. Irgendwann fragt ihn jemand nach dem Grund seiner Pause und der Rest fügt sich in den unglaublichsten Begegnungen und Geschichten, auf die er sich dann schon bei Auftreten der Panne freut. Dazu fehlt es mir noch etwas, aber ich kann es bereits absolut verstehen.
Das Ende des Regenbogens